Fakultät für Biologie

Die Karte im Kopf

04.07.2017

Ohne Orientierung sind Menschen, aber auch Insekten und viele andere Lebewesen nicht handlungsfähig. Wie die Orientierung bei Insekten funktioniert, untersucht Dr. Keram Pfeiffer, neuer Professor am Biozentrum.

Dr. Keram Pfeiffer, neuer Professor am Biozentrum (Foto: Marco Bosch)
Dr. Keram Pfeiffer, neuer Professor am Biozentrum (Foto: Marco Bosch)

Professor Keram Pfeiffer ist Überzeugungstäter: Bereits in seiner Kindheit hatte er ein großes Interesse an Insekten und Spinnen. Er brachte, so oft es ging, Vertreter der verschiedensten Arten mit in die heimatlichen vier Wände. Wo andere Eltern vielleicht ein Veto eingelegt hätten, legten Pfeiffers Eltern den Grundstein für eine wissenschaftliche Laufbahn: "Sie haben mich da immer unterstützt ", sagt Pfeiffer heute.

Seit April 2017 ist er nun Professor an der Uni Würzburg. In seinem neuen Büro im Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität sieht es noch karg aus, einzig die Nahaufnahmen seiner Forschungsobjekte fallen auf: Wüstenheuschrecke und Honigbiene grüßen. Die von Pfeiffer geleitete Arbeitsgruppe trägt den Titel "Neuroethologie räumlicher Orientierung" und ist am Lehrstuhl für Verhaltensphysiologie und Soziobiologie von Professor Wolfgang Rössler angesiedelt.

Ohne Orientierung ist alles nichts

"Grob gesagt interessiere mich dafür, wie das Gehirn von Insekten Verhalten generiert. Mein Fokus liegt dabei auf der Orientierung im Raum", sagt Pfeiffer. Fast allen Verhaltensweisen, die Lebewesen zeigen, liegt eine räumliche Orientierung zugrunde.

Neuroethologie verbindet die Methoden der Verhaltensforschung mit denen der Neurobiologie. "Man betrachtet die Physiologie im Gehirn im Lichte des Verhaltens", sagt Pfeiffer.

Aktuell stehen Honigbienen und Hummeln im Fokus seiner Betrachtungen. Vorher arbeitete er an Wüstenheuschrecken. Die Bienenstation an der Universität war ein Grund für den Wechsel nach Würzburg, die Schwerpunkte der anderen fünf Arbeitsgruppen und die Arbeit von Lehrstuhlinhaber Wolfgang Rössler weitere.

Die Insekten, an denen Pfeiffer interessiert ist, haben eines gemeinsam: Man kann mit elektrophysiologischen Methoden an ihnen forschen. "Man sieht und hört das Gehirn bei der Arbeit - das hat mich bereits im Studium sehr fasziniert. Und das ist bis heute so geblieben", sagt Pfeiffer. Die Aktivität im Gehirn kann gemessen werden, während dem Tier verschiedene Reize präsentiert werden ¬ wie etwa polarisiertes Licht.

Karte im Hirn

Dieses Licht hat für Insekten wie die Honigbiene eine große Bedeutung. Wenn Sonnenlicht auf die Atmosphäre trifft, werden die Strahlen gestreut und ein Himmelspolari¬sationsmuster entsteht. "Es erlaubt den Insekten auch, sich zu orientieren, wenn sie die Sonne nicht sehen", erklärt Pfeiffer.

"Honigbienen haben eine Art Karte im Gehirn, im Zentralkomplex", sagt Pfeiffer. Es handelt sich dabei um eine neuronale Repräsentation des Himmels, die sie mit dem tatsächlichen Polarisationsmuster abgleichen können. Die Karte gibt dem Tier etwa die Information: 'Die Sonne steht gerade 180 Grad hinter dir.' Dies muss dann damit abgeglichen werden, wo das Tier hin will. "Wie dies genau funktioniert, wissen wir noch nicht", sagt Pfeiffer und beschreibt damit eine offene Frage seiner Grundlagenforschung.

Kleine Gehirne, große Leistung

Ein interessanter Aspekt dabei ist, dass die Insekten trotz kleiner Gehirne zu vergleichsweise großartigen Navigationsleistungen in der Lage sind. Heuschrecken etwa und Monarchfalter, die in der Arbeitsgruppe von Kollege Basil el Jundi im Biozentrum im Mittelpunkt stehen, legen lange Strecken zurück und sind dabei in der Lage, ihren Kurs zu halten.

Honigbienen und Hummeln legen ein anderes Verhalten an den Tag, weswegen Pfeiffer sie nun zu seinem Forschungsobjekt gemacht hat: Sie fliegen aus und kehren immer wieder zu ihrem Stock zurück. Und eine Besonderheit fasziniert Pfeiffer besonders an den sesshaften Honigproduzenten: der Schwänzeltanz: "Hiermit können sie den anderen Bienen im Stock mitteilen, wo sie hinfliegen sollen, etwa zur Futtersuche." Eine Frage ist, wie dieses Verhalten in dem System aus Neuronen entsteht.

Auch bei Menschen gibt es Neuronen, die eine ähnliche Funktion haben: so genannte Kopfrichtungszellen. Hier sind ebenfalls einige immer dann maximal aktiv, wenn der Kopf in die entsprechende Richtung zeigt. "Da das System bei Insekten deutlich weniger komplex ist, hat man hier jedoch eher eine Chance, das Netzwerk und fundamentale Prinzipien, wie so eine Verschaltung zu einem Verhalten führen kann, aufzuklären."

Werdegang

Keram Pfeiffer, Jahrgang 1975, kommt aus Saarbrücken und hat an der Universität Marburg Biologie studiert und wurde dort 2006 promoviert. Hier traf er auf Uwe Homberg, der in den vergangenen Jahren die Zentralkomplexforschung bei Insekten als eigenständiges Forschungsfeld etabliert hat. Als Postdoc ging er für insgesamt fünf Jahre nach Kanada an die Dalhousie University, Halifax, und forschte dort an Spinnen. Zusätzlich verbrachte Pfeiffer Zeit als Forscher in Hayama, Japan, und im schwedischen Lund. Nach weiteren Jahren in Marburg mit Habilitation hat er seit April 2017 eine W2-Professur an der Universität Würzburg inne. Pfeiffer ist mit einer Kanadierin verheiratet und hat zwei Kinder.

Kontakt

Dr. Keram Pfeiffer, Professor für Neurobiologie am Lehrstuhl für Zoologie II, E-Mail: keram.pfeiffer@uni-wuerzburg.de, T.: +49 931 31-88510

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