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Fakultät für Biologie

Die universelle Sprache der Hormone

19.03.2018

Bioinformatiker der Universität Würzburg haben eine bestimmte Klasse von Hormonen untersucht, die für Pflanzen, Bakterien und indirekt auch für den Menschen von Bedeutung sind. Dabei haben sie festgestellt: Die bisherige Lehrmeinung stimmt nicht.

Stammbaum der Sequenzanalyse
123 Organismen hat Elena Bencurova untersucht und deren Eiweißbausteine einer genauen Motifanalyse unterzogen.

Zytokinine sind eine Gruppe kleiner Hormone, die man vor allem in Pflanzen findet. Dort wirken sie steuernd auf das Wachstum und die Entwicklung von Pflanzen ein und verzögern beispielsweise den Alterungsprozess.  Darüber hinaus zeigen aktuelle Studien, dass Zytokinine auch beim Kampf der Pflanze mit Krankheitserregern eine wichtige Funktion übernehmen, indem sie die Pflanze gegen bestimmte Erreger resistent machen. Das Wirken von Zytokininen ist allerdings nicht auf die Pflanzenwelt beschränkt: Man findet die Hormone auch in tierischen Geweben sowie in Bakterien, Pilzen und Algen.

Bioinformatiker der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) haben jetzt neue Details über die Entstehung von Zytokininen entschlüsselt und damit die bisherige Lehrmeinung korrigiert. Daran beteiligt waren Professor Thomas Dandekar, Inhaber des Lehrstuhls für Bioinformatik, und seine Mitarbeiter Dr. Muhammad Naseem und Dr. Elena Bencurova. Die Ergebnisse ihrer Arbeit haben sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Trends in Biochemical Sciences veröffentlicht.

Datenbanken müssen überarbeitet werden

Das zentrale Ergebnis: Der bisherigen Lehrmeinung nach sollten diejenigen Enzyme, die Zytokinine aktivieren, zur Klasse der Lysin-Dekarboxylasen gehören. Das allerdings ist falsch: „Unsere Untersuchungen zeigen zweifelsfrei, dass diese Enzyme über keinerlei Dekarboxylase-Aktivität verfügen. Sie aktivieren Zytokinine auf einem anderen biochemischen Weg“, erklärt Thomas Dandekar. Dementsprechend sei es jetzt notwendig, diese Zuschreibung aus den relevanten Datenbanken zu entfernen.

123 Organismen hat Elena Bencurova für diese Studie an einem aktuellen Stammbaum untersucht und dabei deren Eiweißbausteine genauen Motifanalysen unterzogen oder – wie sie sagt – eine Protein-Sequenzanalyse erstellt. Ihr Interesse galt denjenigen Enzymen, die Zytokinine aktivieren – den sogenannten „Lonely-Guy-Enzymen“ (LOG). Woher der Name stammt? „Blüten einer Reismutante hatten nur ein Staubgefäß, aber keine Stempel. Deshalb hat man diese Mutation mit einsamen Staubblättern auf den englischen Namen ‚Lonely Guy‘ getauft“, erklärt Thomas Dandekar.

Verräterische Muster in der Sequenzanalyse

Innerhalb dieser Aminosäuresequenzen hat die junge Wissenschaftlerin nach Mustern gesucht, die für Lysin-Dekarboxylasen charakteristisch sind. Diese ließen sich allerdings nicht nachweisen. Stattdessen konnte Elena Bencurova ein Muster identifizieren, das den LOG-Enzymen entspricht, und dabei vier Unterklassen aufschlüsseln.

Was sich nach einer Entdeckung anhört, die nur für eine kleine Gruppe von Spezialisten von Interesse ist, hat tatsächlich eine weitreichende Bedeutung. „Mit der Summe der in unserer Übersicht zusammengefassten neuesten Untersuchungen kann man jetzt diese universelle Kommunikation bei Bakterien, Pflanzen und Tieren besser verstehen“, sagt Thomas Dandekar. „Entscheidenden Anteil hat an diesem Erfolg Dr. Muhammad Naseem aus unserer Arbeitsgruppe, der wegen seiner systembiologischen Publikationen über Cytokinine seit Januar Professor an der Zayed Universität in Abu Dhabi ist. Damit eröffnen sich unterschiedliche Einsatzgebiete – von der Pflanze bis zum Menschen.“

Hautcreme und Tuberkulose

„Menschliche Hautzellen verstehen die Sprache der Zytokinine“, sagt der Biochemiker. Als Bestandteil einer Hautcreme könnten sie somit die Zellen vor schädlichen Einflüssen schützen und den Alterungsprozess bremsen. Allerdings haben hier eigene Studien gezeigt, dass es dabei auf die Dosis ankommt: „Niedrig dosiert, schützen sie die Zellen. Eine hohe Dosis hingegen schadet“, so Dandekar.

Indirekt wirken sich Zytokinine auf den Menschen aus, wenn sie beispielsweise in den Bakterien aktiv sind, die Tuberkulose verursachen. Sie versetzen die Krankheitserreger in die Lage, ihre Umgebung – das Lungenepithel – so zu manipulieren, dass sich die Bakterien dort besser einnisten können und für das Immunsystem oder Medikamente schwerer zu bekämpfen sind (Ergebnisse von Samanovic et al., Mol Cell 2015).

In der Pflanzenzucht kann das Wissen von Naseem, Dandekar und Kollegen über die universelle Sprache der Zytokinine dazu beitragen, die Pflanzen vor Krankheitserregern besser zu warnen und deren Abwehrmechanismen aktivieren, wie in eigenen Arbeiten an der Ackerschmalwand gezeigt.

Weitere Forschung nötig

„Zytokinine sprechen eine universelle Hormonsprache, die von vielen Lebewesen verstanden wird und die zu den unterschiedlichsten Ergebnissen führt“, fasst Thomas Dandekar das zentrale Ergebnis der jetzt veröffentlichten bioinformatischen Übersicht zusammen. Bis diese Sprache bis ins letzte Detail verstanden ist, sei allerdings noch viel Forschung nötig. Das jetzige Forschungsergebnis sei dementsprechend „ein kleiner Fortschritt in einer größeren Story“, ergänzt Elena Bencurova. Allerdings ein Schritt, der das Fundament legt für weitere Erkenntnisse.

The Cytokinin-Activating LOG-Family Proteins Are Not Lysine Decarboxylases. Naseem M, Bencurova E, Dandekar T. Trends in Biochemical Sciences. 2018 Mar 7. doi: 10.1016/j.tibs.2018.01.002.

Kontakt

Prof. Dr. Thomas Dandekar, Lehrstuhl für Bioinformatik, T: +49 931 31-84551, dandekar@biozentrum.uni-wuerzburg.de

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Von Gunnar Bartsch

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